Wir sind wieder wer
Wir sind wieder wer – neue Laster braucht das Land
Die Herzberger Papierfabrik von Ludwig Osthushenrich wurde zum größten Auftraggeber in der Nachkriegszeit. Die Sommer-LKW fuhren selbstverständlich mit Werbung für diesen größten Verlader der Region in alle Teile Westdeutschlands. Dank der guten Erfahrung mit Lastwagen aus Braunschweig beschaffte Sommer auch in der Zeit nach dem Krieg wieder Büssing-LKW. Lastzüge von Sommer waren bald im Hildesheimer Hafen zu sehen oder im Kraftwerk Rhumspringe. Für den Hefetransport von Hamburg wurde eigens ein eigener LKW mit entsprechender Lackierung und Beschriftung beschafft. 1953 waren die Gebrüder Sommer wieder so gut im Geschäft, dass das Flaggschiff aus dem Hause Büssing bestellt werden konnte – ein Büssing 12000 U.
Am Sonnabend, dem 31. Oktober 1953 war dann auch im Göttinger Tageblatt zu lesen, dass Sommer als einziger Spediteur in ganz Südhannover einen solchen Laster besaß und dass erst 50 seiner Serie in Deutschland liefen. Im Text hieß es wörtlich „Mit tiefem Dieselbrummen schiebt sich das chromblitzende „Ungeheuer“ aus der Garage auf die Bundesstraße 247. Dieser neueste Büssing ist ein Lastzug der Superlative. Von seinen zwanzig Metern hat allein der Maschinenwagen zwölf Meter, und er ist damit der längste Laster, der bisher gebaut wurde. Seine gewaltigen Räder sind größer, als alle, die bis dahin im Verkehr waren.“ Weiter wurde ausgeführt, dass der 200 PS leistende Unterflurmotor rund 50 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbrauchte und dass der Laster DM 70.000,-- gekostet hatte. Dieser supermoderne Lastzug war angeschafft worden, da die Papierfabrik in Herzberg die Sommers aufgefordert hatte, ihre Transportkapazität zu vergrößern. Gefahren wurde der Laster von Willi Ehlert, der von den Kollegen nur „Goldi“ genannt wurde. Ernst Sommer, der im Zweiten Weltkrieg bei einer Versorgungseinheit diente, brachte den aus Hamburg stammenden Goldi nach Kriegsende mit nach Gieboldehausen. Dort verbrachte er den Rest seines Lebens, wenn er nicht gerade mit dem Büssing unterwegs war.
Der Schild der Kraftfahrerehre
In dem bereits zitierten Zeitungsartikel wurde dann gleich auch noch ein Loblied auf diesen edlen Fahrensmann angestimmt. Für unsere Ohren heute ziemlich pathetisch hieß es dort: „In diesen Zeiten gebührt jenen Männern ein Denkmal, die hinter den mächtigen Volants der großen Laster sitzen, am Tage und nachts auf den Straßen. Ihr Verantwortungsbewusstsein, ihre Zuverlässigkeit sind entscheidend für die korrekte Erfüllung des Transportauftrages. Willi Ehlert, 52 Jahre alt, in Hamburg geboren und jetzt „Steuermann“ am neuen 24-Tonner-Büssing in Gieboldehausen, ist einer von diesen Rittern der Landstraße. Seit 25 Jahren hat er immer irgendein Steuer in der Hand. Nie verursachte er einen Unfall, nie verletzte er seine Pflicht, nie kam er mit dem Gesetz in Konflikt. Der Schild seiner Kraftfahrerehre ist heute so blank wie an jenem Tage, als er die erste Ladung in Empfang nahm und nach dem sicheren Transport ablieferte. Sie kennen den Willi in den meisten Fernfahrer-Gaststätten zwischen Hamburg und München. Sie wissen dort, daß er ein gutes Beefsteak schätzt und eine kräftige Tasse „Schwarzen“. Und die Kollegen singen ein Loblied auf seine uneigennützige Kameradschaft. Mit den 24 Tonnen Last, die sein Büssing trägt, trägt er eine schwere Verantwortung. Willi Ehlert ist sich ihrer immer bewußt gewesen, ein wahrer Ritter ohne Furcht und Tadel. Übrigens dürfte er, wenn man die Kilometer seines Fahrtenlebens zusammenzählt, gut dreißigmal den Globus umrundet haben.“ Ganz so schlimm wird es dann wohl nicht gewesen sein. Willi Ehlert war aber schon ein herausragender Fahrer, der auf seinen regelmäßigen Fahrten nach Hamburg auch schon einmal die Sommer-Kinder mitnehmen durfte. Annette Huke-Sommer, die Tochter von Ernst Sommer erinnert sich noch daran, wie sie als sechsjähriges Mädchen mit ihm im 12000er mitfahren durfte. In der geräumigen Kabine, die auf das Modernste eingerichtet war, hat sie sich herrlich wohl gefühlt und sicher wie zu Hause auf Muttis Schoß.
Heute bestelle ich nicht. Ich muss noch auf´s Feld
Als der mächtige 12000er Büssing beschafft wurde, gab es schon wieder elf Lastzüge, die ein Ladevolumen von rund 200 Tonnen zur Verfügung stellten. Etwa die Hälfte der Fahrzeuge waren Kipperzüge, der Rest waren mit Pritschenaufbauten versehene Fernlaster. Bei den Kippern setzten die Gebrüder Sommer auf bewährte Schnauzenwagen wie den Büssing 8000 S 13, die mit zwillingsbereiften Dreiachskippanhängern kombiniert wurden. Im Fernverkehr wurden Mitte der 1950er Jahre die 8000er Büssing-Hauber durch entsprechende Frontlenker abgelöst bzw. ergänzt. Mindestens ein 8000 U mit U 13-Motor und einem Fahrerhaus in Holz/Blech-Bauweise sowie ein 7500 U gehörten ebenso zum Fuhrpark wie zwei 12000 U, die später an Kässbohrer gingen und dort für das zweite Leben mit Kranaufbauten versehen wurden. Ihnen folgten die LU 11 und Commodore-Typen. In den frühen 1960er Jahren verschwanden die Kipperzüge und wurden ersetzt durch Fahrzeuge mit Pritschen und Planen. Die Bestellung eines neuen LKW war vor fünfzig Jahren jedesmal ein Ereignis. Annette Huke-Sommer erinnert sich noch gut daran, dass dann die gesamte Familie nach Braunschweig fuhr. Die weiblichen Familienmitglieder nutzten die Gelegenheit, in der Stadt einzukaufen. Die Männer informierten sich im Werk und handelten einen guten Preis für den neuen Laster aus. Später wurde dann diese Prozedur vereinfacht und ein Verkäufer kam nach Gieboldehausen. Dem konnte es dann aber auch passieren, dass Ernst Sommer nicht in der Stimmung war, zu unterschreiben. Er fertigte den Verkäufer dann schon einmal mit den Worten ab: „Heute bestelle ich nicht. Ich muss noch auf´s Feld“. Trotz solcher Vorkommnisse war Sommer der Marke Büssing treu. Andere Hersteller hatten kaum eine Chance. Eine Ausnahme war ein Krupp, der ein kurzes Gastspiel gab. Für die Wartung und fällige Reparaturen wurde eigens ein Mitarbeiter bei Büssing geschult. Er war auch zuständig für die in der Regel von Kässbohrer stammenden Anhänger. In der Halle in Gieboldehausen stand in den frühen Jahren immer ein Ersatz-LKW, der bei Ausfällen anderer Wagen zum Einsatz kam. Das war dann später nicht mehr nötig, als BS 15 L und BS 16 L Einzug in den Fuhrpark hielten. Auch nach dem Ende der LKW-Fertigung bei Büssing blieb Sommer dem Unterflur-Prinzip treu. So lange sie lieferbar waren, kaufte er MAN mit Motoren, die unterhalb der Ladefläche angeordnet waren. Als letzte Vertreter dieser Spezies waren MAN-Büssing 16.320 U und 24.331 UN als Volumenzug im Einsatz.